Ein zentrales merkmal von substanzgestützten Therapien ist die Substanz an und für sich, egal ob es sich um Ketamin, Psylocibin, MDMA oder eine andere Substanz handelt. Häufig sind mit der Substanz bestimmte Vorstellungen und Erwartungen verbunden, die für die therapeutische Arbeit hinderlich oder auch förderlich sein können. Aus diesem Grund widmen wir uns in diesem Artikel dem Phänomen der Erwartungen und beschrieben welche Einstellung gegenüber Ketamin hilfreich sein kann.

Übersteigerte Versprechungen: “Eine Sitzung mit Psylocibin ist so wirksam wie hundert Stunden gewöhnliche Psychotherapie”

So lautete eine Aussage von dem Investor Christian Angermayer. Aufgrund seiner großen medialen Gefolgschaft verbreitete sich diese Annahme vor allem im Silicon Valley rapide, weshalb dort ein riesiger Hype um substanzgestützte Psychotherapie entstand. Es ist fraglich, ob Christian Angermayer sich je in Psychotherapie begeben hat, geschweige denn, ob er sich 100 Stunden auf eine tiefgreifende Beziehungserfahrung einlassen konnte, die es braucht, um von einer Psychotherapie tiefgreifend profitieren zu können, um eine solche Aussage tätigen zu können. Nichtsdestotrotz, schossen in den vergangenen Jahren  die Aktienkurse verschiedener Startups aus diesem Sektor kurz nach der Veröffentlichung an den Börsen in die Höhe, um nach kurzer Zeit, nämlich nach der Veröffentlichung detaillierter Studienergebnisse wieder genauso in den Keller zu stürzen. Ob es sich bei der Aussage um ein bewusstes Kalkül handelte oder um eine grobe Fehleinschätzung sei dahin gestellt.

Die Hoffnung auf Heilung auf biologischer Ebene: “Die Substanz wird meinen Transmitterhaushalt in Ordnung bringen”

Der Anschein, dass der Einsatz von Psychedelika eine Art Ersatz für gewöhnliche Psychotherapie sein könnte, wird auch von vielen Wissenschaftlern vertreten, die sich vorwiegend mit den biologischen Ursachen von psychischen Erkrankungen beschäftigen. Doch gerade aus dieser Forschertradition gibt eine lange Geschichte an Irrungen und Wirrungen. Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass ein „Ungleichgewicht“ des Neurotransmitters Serotonin für Depressionen verantwortlich sein. Es wurde über verschiedene genetische Faktoren diskutiert, um zuletzt immer deutlicher festzustellen, dass SSRI über die Jahre hinweg an Wirksamkeit verlieren. Lediglich 25% der Patientinnen haben einen mindestens mittleren Effekt gegenüber Placebos, bei gleichzeitig dem vollen Spektrum an Nebenwirkungen. Nicht zuletzt der antidepressive Effekt von Ketamin, welches auf das Glutamatsystemwirkt, lässt schwere Zweifel zu, ob die Transmitterhypothese, gerade in Bezug auf Serotonin, noch haltbar ist. Dabei steht auch in Frage, inwiefern die reine biologische Wirkung des Ketamins die gewünschte Wirkung entfalten kann.

Die Rolle der Biologie einer Substanzerfahrung

Gerade in der Erforschung der Psychedelika gibt es eine eher biologisch orientierte Richtung an Forschern, die nicht müde wird, immer wieder neue Mechanismen zu identifizieren, wie diese oder jene Substanz auf den Aufbau bestimmter Rezeptoren wirkt. Ich möchte die biologische Wirkung der Substanzen nicht per se in Frage stellen und glaube auch selbst an Veränderungen auf biologischer Ebene. Ich zweifle allerdings am Wert dieser Modelle. Das menschliche Leben ist ein Wechselspiel aus biologischen, psychischen und sozialen Faktoren. Hinzu kommt, dass dieser Forschungszweig in den letzten Jahren eine Menge an Hypothesen und Theorien hervorgebracht hat, die ständig verworfen wurden, um letztlich festzustellen, dass es doch komplexer ist als angenommen und unser Verständnis über das Gehirn noch immer extrem beschränkt ist.

Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Jahrzehnten die biologischen Mechanismen besser verstanden werden. ein Reduktionismus rein auf die biologische halte ich dennoch als irreführend. Der Grund dafür ist, dass diese Erklärungsmodelle suggerieren, dass die Einnahme der Substanz an sich schon eine Heilung herbeiführen wird. Dieses Modell ist in der Medizin weit verbreitet: Wenn ich artig meine Medizin einnehme, dann wird es mir schon besser gehen.

Dass dieses Prinzip bei psychischen Erkrankungen nur bedingt zu nachhaltigen Ergebnissen führt, zeigt sich darin, dass bei den meisten Menschen nach Absetzen des Medikaments die Symptome zurückkehren. So auch bei Ketamin. Um eine langfristige Wirkung zu erzielen, muss Ketamin regelmäßig eingenommen werden. Inwiefern es sich hierbei um eine Verbesserung im Vergleich zu den vorhandenen Verfahren handelt, ist somit fragwürdig.

Hoher Veränderungsdruck: “Jetzt muss doch endlich mal etwas anschlagen, sonst…”

Viele Menschen kontaktieren uns, weil Sie unter einem hohen Leidensdruck stehen. Viele andere Medikamente waren erfolglos und auch verschiedene Psychotherapien konnten keine Heilung bringen. Entsprechend ist der Erwartungsdruck hoch, dass die “neue Substanz“ das Heil herbeiführen könnte. Das ist nachvollziehbar, so gilt Ketamintherapie als ein innovativer, alternativer Ansatz, wenn andere Verfahren keine Heilung bringen konnten. Diese Haltung ist jedoch zugleich auch schwierig, da sie einerseits die eigenen Ressourcen zur Selbstheilung nicht in Betracht zieht und zugleich das Risiko einer extremen Enttäuschung mit sich bringt. Was wäre die Folge eines weiteren “Scheiterns”? Ist das Leben dann noch lebenswert? Eine solche Haltung ist wie gesagt verständlich, setzt aber auch den Therapeut unter einen enormen Erfolgsdruck, der die Qualität der Arbeit vermutlich nicht unbedingt verbessert.

Eine günstige Haltung gegenüber Ketamin in der Ketamin-assistierten Psychotherapie

Sowohl eine erhöhte Erwartung bezüglich der Effektivität einer einzelnen Sitzung, die Hoffnung, dass das Medikament das Gehirn wieder in Ordnung bringt, aber auch zu hohe Erwartungen aufgrund eines enormen Erfolgsdrucks sind für die Behandlung mittels Ketamin-assistierter Psychotherapie nicht förderlich.

Bei KETHERA sind wir davon überzeugt, dass psychische Erkrankungen das Ergebnis eines komplexen Gefüges aus biologischen, psychischen und sozialen Faktoren sind. Eine Ebene zu vernachlässigen wird der Komplexität des menschlichen Seins nicht gerecht. Wir glauben darüber hinaus, dass psychische Erkrankungen Folgen von ungünstigen Bedingungen in der Entwicklung eines Individuums sind. Damit ist gemeint, dass wichtige Bezugspersonen in der Kindheit nicht in der Lage waren, auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen. Dieser Umstand hat wiederum zur Folge, dass im Erwachsenenleben unbeantwortete Bedürfnisse belastende Gefühle oder Verhaltensweisen hervorrufen, die einen Leidensdruck erzeugen.

Ketamin als Ressource

Ketamin hat dabei verschiedene Eigenschaften, die den psychischen Ressourcen entsprechen, welche als psychotherapeutisch heilsam angesehen werden. So führt Ketamin zu einem Erleben von Angstfreiheit, Reduktion von Scham, einer Beobachterperspektive, innerer Klarheit und Ruhe und anderen Zuständen, die ein gesünderes Erleben ermöglichen, welches aufgrund der Erkrankung oftmals fremd geworden ist. Dieser veränderte Blick auf verschiedene Aspekte des Seins kann eine Richtschnur sein, ein solches Erleben auch ohne der Substanz mit Hilfe von psychotherapeutischer Begleitung herzustellen. Wir betrachten Ketamin somit als Ressource für ein verändertes Selbsterleben.

Mit der Idee von Ketamin als Ressource, lässt sich zudem auch erklären, wie Ketamin helfen kann, unverarbeitete Traumata zu verarbeiten. Der traumartige Zustand unter Ketamin geht oftmals mit einer Verringerung von Abwehr einher. In diesem Zustand können bisher unverarbeitete Emotionen aus belastenden Erlebnissen zugänglich und nachträglich verarbeitet werden. Das Fehlen einer entsprechenden Begleitung in solchen Zuständen kann retraumatisierend wirken. Aus diesem Grund ist eine professionelle Begleitung während der Einnahme von Ketamin bei KETHERA der zentrale Bestandteil in der Behandlung mit Ketamin.

Ketamin kann darüber hinaus auch als Ressource für eine spirituelle Entwicklung betrachtet werden. Gerade höhere Dosierungen machen mystische Erfahrungen wahrscheinlicher. Solche Erfahrungen betreffen oft unsere menschliche Existenz und werfen transformierende Grundfragen auf.