In den letzten Jahren hat das Interesse an Psychedelika zur Behandlung psychischer Erkrankungen stark zugenommen (Lasch et al., 2023). Neben diesem Interesse gibt es jedoch auch zahlreiche Vorurteile und Missverständnisse im Zusammenhang mit diesen Substanzen (Van Der Meer et al., 2023). In diesem Blogbeitrag werden wir uns mit den gängigsten Vorurteilen gegenüber Psychedelika befassen und auf diese einzeln eingehen, indem der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand beleuchtet wird.

 

Vorurteil 1: Psychedelische Drogen machen süchtig.

Faktenlage: Entgegen der landläufigen Meinung machen Psychedelika nicht körperlich abhängig (Patra, 2016). Im Gegensatz zu Substanzen wie Opioiden oder Stimulanzien aktivieren Psychedelika das Belohnungssystem des Gehirns nicht auf dieselbe Weise. Klassische Psychedelika (LSD, Psylocibin, DMT oder Meskalin) sind Agonisten des 5-HT2A Rezeptors (Lasch et al., 2023). Studien zu Psilocybin und LSD haben gezeigt, dass diese kein zwanghaftes Suchtverhalten oder körperliche Entzugserscheinungen hervorrufen (Bender & Hellerstein, 2022; Krebs & Johansen, 2013). Die Forschung deutet sogar darauf hin, dass Psychedelika bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen (v.a. bei Tabak und Alkohol) wirksam sein können (Lasch et al., 2023; Van Der Meer et al., 2023).

 

Vorurteil 2: Psychedelika sind gefährlich und giftig.

Faktenlage: Es stimmt zwar, dass Psychedelika tiefgreifende veränderte Bewusstseinszustände hervorrufen können. Hingegen vermindert ein verantwortungsvoller Konsum unter professioneller Aufsicht Risiken, die mit diesen veränderten Bewusstseinszuständen einhergehen (Lasch et al., 2023). Die physische Toxizität von Psychedelika ist bemerkenswert gering. Von Psilocybin-Pilzen und LSD beispielsweise ist nicht bekannt, dass sie Organschäden oder Toxizität verursachen, wenn sie in Standarddosen konsumiert werden. Auch bei Ketamin wird eine vielfach erhöhte Dosis oder eine sehr regelmäßige Einnahme benötigt, um dem Körper zu schaden (Gautam et al., 2020).

 

Vorurteil 3: Psychedelika können Psychosen auslösen.

Faktenlage: Dieser weit verbreitete Irrglaube beruht auf überholten Erzählungen und Übertreibungen einzelner Vorfälle. Die aktuelle Forschung zeigt, dass Psychedelika nicht ursächlich für das Auftreten einer Psychose verantwortlich gemacht werden können. Studien weisen jedoch auch darauf hin, dass Menschen mit einer genetischen Veranlagung für Psychosen durch starken Stress Psychosen ausgelöst werden können. Da der klinische Einsatz von Psychedelika mit dem Erleben von emotionalem Stress einhergehen kann, können Psychedelika somit auch Auslöser für Psychosen sein (Bender & Hellerstein, 2022; Krebs & Johansen, 2013).

 

Vorurteil 4: Psychedelika haben keinen legitimen medizinischen Nutzen.

Faktenlage: Obwohl sie in vielen Ländern als Substanzen unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, hat die wissenschaftliche Gemeinschaft auch in Deutschland begonnen, die potenziellen therapeutischen Anwendungen von Psychedelika zu erforschen. Studien haben gezeigt, dass eine von Psychedelika unterstützte Therapie bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten wirksam sein kann. So hat die Forschung beispielsweise gezeigt, dass die psilocybingestützte Therapie behandlungsresistente Depressionen lindern und Angstzustände bei Patienten mit lebensbedrohlichen Krankheiten verringern kann (Herwig et al., 2023; Lasch et al., 2023). Die amerikanische Medikamentenaufsichtsbehörde FDA hat der psilocybingestützten Therapie bei Depressionen sogar den Status eines Therapiedurchbruchs verliehen. Seit 1. Juli 2023 sind MDMA und Psylocibin zur Behandlung psychischer Störungen erstmals zugelassen worden (Heal et al., 2023; Van Der Meer et al., 2023).

 

Vorurteil 5: Psychedelika dienen dem Rausch und sind Freizeitdrogen.

Faktenlage: Psychedelika werden zwar seit langem als Freizeitdroge verwendet, ihr Wert geht jedoch weit über den Zweck des Rausches hinaus. Indigene Kulturen haben Psychedelika seit Jahrhunderten zu spirituellen Erkundungs- und Heilungszwecken eingesetzt. Die moderne Forschung entdeckt und untersucht das therapeutische Potenzial dieser Substanzen neu und zeigt, dass sie bei kontrolliertem und bewusstem Gebrauch ein mächtiges Instrument für persönliches Wachstum, Selbstreflexion und psychologische Heilung sein können. Ihre Wirkung kann die Introspektion erleichtern, die Kreativität fördern und ein Gefühl der Verbundenheit und Transzendenz vermitteln (Herwig et al., 2023; Lasch et al., 2023).

 

Der Abbau von Vorurteilen und Missverständnissen im Zusammenhang mit Psychedelika ist von entscheidender Bedeutung für die Förderung eines fundierten Verständnisses ihrer potenziellen Vorteile. Wenn wir die wissenschaftlichen Beweise und die laufende Forschung untersuchen, können wir die wertvollen Beiträge, die Psychedelika im Bereich der psychischen Gesundheit und des allgemeinen Wohlbefindens leisten, schätzen. Wir hoffen, dass sich mit der weiteren Entwicklung der Studien ein differenzierteres Verständnis der Psychedelika herausbilden wird, das zu ihrer Integration in die Schulmedizin und in die Praxis der psychischen Gesundheit führt und letztlich das Leben der Menschen verändert.

Quellen:

Bender, D., Hellerstein, D.J. Assessing the risk–benefit profile of classical psychedelics: a clinical review of second-wave psychedelic research. Psychopharmacology 239, 1907–1932 (2022). https://doi.org/10.1007/s00213-021-06049-6

Gautam, C., Mahajan, S., Sharma, J., Singh, H. & Singh, J. (2020). Repurposing Potential of Ketamine: Opportunities and Challenges. Indian Journal of Psychological Medicine, 42(1), 22–29. https://doi.org/10.4103/ijpsym.ijpsym_228_19

Heal, D. J., Belouin, S. J. & Henningfield. (2023). Psychedelics: Threshold of a Therapeutic Revolution. Neuropharmacology, 236. https://doi.org/10.1016/j.neuropharm.2023.109610

Herwig, U., Mertens, L., Rosal, S. P., Koller, G., Jungaberle, A., Borgwardt, S. & Gründer, G. (2023). Psychedelika in der Psychiatrie – Entwicklungen und die Stellung in Deutschland. Fortschritte Der Neurologie Psychiatrie. https://doi.org/10.1055/a-1981-3152

Krebs, T. S. & Johansen, P. (2013). Psychedelics and Mental Health: A Population Study. PLOS ONE, 8(8), e63972. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0063972

Lasch, A., Schweikert, T., Dora, E., Kolb, T., Schurig, H. L. & Walther, A. (2023). Psilocybin-gestützte Therapie von Depression, Angst und Suchtstörungen: Neurobiologische Grundlagen und klinische Anwendung. Fortschritte Der Neurologie Psychiatrie. https://doi.org/10.1055/a-2046-5202

Patra, S. (2016). Return of the psychedelics: Psilocybin for treatment resistant depression. Asian Journal of Psychiatry, 24, 51–52. https://doi.org/10.1016/j.ajp.2016.08.010

Van Der Meer, P. B., Fuentes, J. J., Kaptein, A. A., Schoones, J. W., De Waal, M. M., Goudriaan, A. E., Kramers, K., Schellekens, A., Somers, M., Bossong, M. G. & Batalla, A. (2023). Therapeutic effect of psilocybin in addiction: A systematic review. Frontiers in Psychiatry, 14. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2023.1134454